Puerto Limón: Gelebtes Pura Vida
Wenn man eine einzige spanische Phrase lernen sollte, bevor man nach Costa Rica reist, dann ist es Pura Vida. Wortwörtlich heißt es „pures Leben“, bedeutet hier aber soviel wie „Alles gut“, „Mach dir keinen Stress“ oder „Das Leben ist schön“. Es ist hier Grußformel und Lebensphilosophie und Costa Rica lebt diese Haltung konsequent. Im Gegensatz zu unseren Erfahrungen in Roatan, ist Nachhaltigkeit in Costa Rica kein Marketingwort, sondern gelebter Alltag. Kein Land Lateinamerikas schützt so große Naturflächen und seit Jahrzehnten hat Costa Rica kein Militär mehr. Ressourcen fließen stattdessen in Schulen, Parks und den Schutz des Regenwaldes. Faultiere, Jaguare, Tukane, Schildkröten…sie alle leben hier vor der Hautür und existieren nicht nur als Postkartenmotiv. Die Tiere sind hier Teil eines Ökosystems, das die Menschen als Schatz begreifen.
Am frühen Morgen startet unser Ausflug „Facettenreiches Costa Rica“ mit dem Schwerpunkt auf der lokalen Tier- und Pflanzenwelt. Unser Guide Dawine verkörpert besagtes Pura Vida in Reinform. Ein junger, lächelnder Mann mit einem warmen costa-ricanischen Humor. Der Weg zum Cahuita Nationalpark führt an vielen interessanten Orten vorbei, besonders ins Auge sticht eine riesige Bananenplantage. Hier kommen also unsere Bananen her. Kürzlich im Vortrag von Christian Pötschke, unserem AIDA Lektor, wurde ein realitv düsteres Bild der Firma Chiquita aufgezeigt. Sie zeigt eine andere Geschichte von Panama und erzählte von Monokulturen, Pestiziden, Korruption und schlechten Arbeitsbedingungen. Im wahrsten Sinn ist die Geschichte hinten den Bananen also mal wieder eine krumme Sache.
Aber wir sind heute für das Abenteuer Regenwald hier und schieben die Geschichten von Bananenrepubliken und neuen Pilzen, die die Bananen bedrohen, schnell beiseite. Cahuita ist einer der ältesten Nationalparks des Landes und man spürt sofort, warum Costa Rica so stolz auf seine Natur ist. Das Grün ist dicht, alles tropft, glitzert und raschelt. Ein bisschen wie ein lebendig gewordenes Tropenhaus, nur ohne Scheiben und mit echten Tieren. Zuerst aber zeigen die Tiere sich nicht. Es hat morgens geregnet und die Tiere verstecken sich noch. Dann finden wir aber ihre Spuren: nasse Waschbärpfoten auf einer Bank. Danach die ersten Rufe. Ein metallisches tink tink des Dinkfroschs. Dawine ruft eine Challenge unter uns aus: „Wer ihn findet, bekommt 1000 Colon.“ lacht er. Er hätte selbst noch nie einen entdecken können. Wir suchen genauso schnell, wie wir scheitern. Kein Wunder, der Frosch ist braun und auf dem Boden fast unsichtbar. Irgendwann hört man schon ganz leise das Meer rauschen. Am Strand angekommen, spielt uns Costa Rica das Lied “Karibik in Moll”. Alles ist grau, fast nebelverhangen. Plötzlich Rufe aus der Gruppe: „Da ist ein Faultier im Baum.“ Tatsächlich, ein schläfriges Tier hängt nicht weit über unseren Köpfen im Geäst. Alle sind Hin und Weg über dieses Erlebnis. Man kann schließlich nicht hier sein, ohne dieses unglaublich drollige Tier in seiner natürlichen Umgebung zu erleben. Wir staunen. Wie kann man nur so viel Entspanntheit ausstrahlen? Ich glaube, Faultiere sind die eigentlichen Erfinder von Pura Vida. Der Rückweg wird dann zum Glück doch etwas aufregender. Kapuzineräffchen, Brüllaffen und diverse Vögel die an den Früchten der Bäume naschen, zeigen sich. Endlich wacht der Regenwald auf und wir fluchen, denn es geht schon wieder weiter.
Dawine macht jetzt mehr Tempo, denn uns läuft die Zeit davon. Die Kajaks warten nämlich schon auf uns. Im Bus werden von Dawine die gekauften Mini-Bananen von der Straßenbar verteilt. Wieder so ein Moment, der zeigt, wie wenig es braucht, um einen schönen Ausflug zu gestalten. Die Mini-Bananen sind unglaublich lecker. Auch die Blüte ist entzückend, Dawine lässt sie herumreichen. Sie sind wahre Kunstwerke der Natur und haben eine ganz eigene Anmut und Eleganz. Sie erinnert äußerlich ein bisschen an einen Maiskolben und besteht aus großen rötlichen Deckblättern, darunter befinden sich die viel kleineren Fruchtblüten.
Am Playa Cocles sitzen wir keine zehn Minuten später im 2er-Kajak. Auch hier dauert es nicht lang, bis der Guide ruft: „Faultier with baby!“ Die Locals scheinen wirklich Augen aus einer anderen Welt zu haben. Während wir noch überlegen, welcher Baum überhaupt gemeint ist, haben sie schon das nächste Tier gefunden. Für unsere Stadtaugen eine wirklich schwierige Aufgabe. Zum Glück liegen auf den Baumstämmen im Wasser jede Menge Schildkröten, die selbst wir ohne Biologiestudium und Regenwaldkenntnisse erkennen.
Auch das Kajafahren vergeht wie im Flug. Bevor wir klitschnass in den Bus steigen, bekommen wir von unserem Guide aber noch frische Ananas und Papaya als Snack gereicht. Danach lässt uns der Bus in Puerto Viejo de Talamanca raus, einem kleinen Strandort mit ganz viel karibischen Lebensgefühl. Von überall erklingt afrokaribische Musik, die Häuser sind bunt, und man bekommt frischs Obst an kleinen Straßenständen zu kaufen. Hier gibt es keine Hotel- und Luxusanlagen, vielmehr kann man in kleinen Tree Houses übernachten, in kleinen Holzbuden regional shoppen, in vegetarischen Cafés entspannen oder in Surfshops ein neues Hobby finden. Für eine Stunde machen wir Pura Vida im Selbstversuch, gelingen tut es uns natürlich nicht. Immerzu müssen wir diese schreckliche Uhr im Blick haben, die Angst im Nacken, dass das Schiff ohne uns weiterziehen könnte. Wir seufzen und schnell wird klar: So wird das bestimmt nichts mit der karibischen Gelassenheit. Wir wollen es ein anderes Mal versuchen und setzen Costa Rica nur zu gerne auf unsere zukünftigen Reise-Wunschliste.