Los Angeles: Wo geht´s hier nach Hollywood?

Unser Hotel in Los Angeles befindet sich diesmal im Hafen. Es ist sehr zweckmäßig und relativ unspektakulär. Eigentlich hatten Reinier und sein Vater hier gebucht, weil sie dachten, ich würde hier von Bord gehen. Jetzt ist alles anders gekommen, aber das Hotel haben wir trotzdem behalten. Warum auch nicht, wir sind schließlich für das große Ganze hier. Jetzt also endlich Los Angeles, die Stadt der Engel. Die Stadt liegt im Süden Kaliforniens, erstreckt sich über mehr als 1.200 Quadratkilometer und hat rund 4 Millionen Einwohner, im gesamten Ballungsraum sogar über 13 Millionen. Ein klassisches Stadtzentrum gibt es kaum. Stattdessen besteht Los Angeles aus zahlreichen Stadtteilen mit jeweils eigener Struktur, Geschichte und Funktion. Bekannte Bezirke sind Downtown L.A., Hollywood, Santa Monica, Venice, Beverly Hills, Pasadena und viele mehr. Los Angeles ist stark autoorientiert. Öffentliche Verkehrsmittel existieren zwar, spielen im Alltag vieler Menschen aber eine untergeordnete Rolle, da die Entfernungen viel zu groß sind. Schon vor dem Besuch habe ich mich damit abgefunden, das ich mich in dieser weitläufigen Metropole wieder für ein oder zwei Schwerpunkte entscheiden muss und aus diesem Mosaik nur ein paar Steinchen sehen werde.

Ziel an diesem Vormittag soll der weltberühmte Venice Beach mit dem Santa Monica Pier sein. Hierfür lassen wir das Auto stehen und bewegen uns ab hier zu Fuß und später mit dem Fahrrad weiter. Entlang des Boardwalks reiht sich eine Szene an die nächste. Muskelbepackte Körper an den Trainingsgeräten von Muscle Beach, Skater, Straßenmusiker, Tänzer, Verkäufer und Menschen, die einfach nur bummeln wollen. Wir leihen uns drei Beachcruiser in einem kleinen Laden direkt am Strand und fahren den Radweg entlang Richtung Santa Monica. Der Weg führt parallel zum Meer, vorbei an Rettungsschwimmerhäusern, Joggern und Menschen mit Yogamatten unter dem Arm. Mein Blick geht ständig nach links zum Wasser, dann nach rechts zu den bunten Murals und Graffiti. Sie sind so etwas wie das unverwechselbare Markenzeichen dieses Viertels. Nach 20 Minuten radeln erreichen wir das bekannte Pier aus dem Jahre 1909. Es entstand damals ganz nüchtern als Konstruktion für ein Abwasserrohr und erst 1916 kam das Vergnügungsareal dazu, inklusive Karussell und Achterbahn. Ich bin froh, dass wir trotz Zeitmangel (Wir wollen bis nachmittags in Hollywood sein) noch einen kleinen Spaziergang durch den Freizeitpark machen. Der kleine nostalgische Jahrmarkt funktioniert noch immer als Attraktion und das Riesenrad gehört zu den bekanntesten Fotomotive Kaliforniens.

Am Nachmittag geht´s mit dem Auto dann Richtung Hollywood nach Burbank, denn hier liegen die berühmten Warner Bros Studios. Seit 1926 wird hier Filmgeschichte geschrieben. Erst im Kino, dann auch im Fernsehen, fast hundert Jahre rollendes “Und Action!”. Die Studios verteilen sich auf Außenkulissen, Tonstudios, Werkstätten und Archive. Sie sind sind kein Freizeitpark wie die nebenan liegenden Universal Studios, sondern sind ein funktionierender und spannender Arbeitsort. Für 79 Dollar pro Person buchen wir eine 2 stündige Tour durch das Gelände. Unsere Tour beginnt in einem kleinen Kinosaal mit einem kurzen Film zur Studiogeschichte. Danach geht es direkt hinaus auf das Backlot. Wir fahren durch Straßen, die keine sind. Vorbei an Häuserfassaden ohne Türgriffe, ohne Lampen, ohne Innenleben. Alles ist Kulisse und individuell veränderbar. Die Backsteine bestehen aus Styropor, ganze Straßenzüge lassen sich innerhalb weniger Stunden neu „umbauen“. Während wir mit dem Trolley durch diese scheinbar leeren Viertel fahren, springen wir mühelos zwischen Welten: amerikanische Kleinstadt, New Yorker Straßenschlucht, europäischer Hinterhof. Unser Guide zeigt auf Stellen, die man sofort erkennt, auch wenn man sie eigentlich nie bewusst wahrgenommen hat: das Café aus Casablanca, die Straße aus Annie, das Finale von Seinfeld, der berühmte Spiderman-Kuss in einer unscheinbaren Gasse. Wir dürfen aber auch aussteigen und in Gebäude hineingehen, die nur aus Hüllen bestehen. Danach wechseln wir auf das Front Lot zu den rund 30 Soundstages, in denen die Innenwelten entstehen. Hier werden Wohnzimmer, Klassenzimmer und Raumschiffe gebaut. Nach etwa einer Stunde endet der geführte Teil und wir werden bei Stage 48 abgesetzt. Ab hier können wir viel interaktiver selbst weitererkunden und Filmsets aus Friends und The Big Bang Theory entdecken. Wir nehmen Platz auf der ikonischen Couch des Central Perk, eines der bekanntesten Serien-Cafés der Fernsehgeschichte. Spätestens mit diesem Moment hat sich meine Lieblingsserie Friends in meinem Herzen unsterblich gemacht und ich bin aufgeregt wie ein kleines Kind. Die Ausstellung „Script to Screen“ erklärt Schritt für Schritt wie aus einer Idee ein fertiger Film wird mit Drehbuch, Kostüm, Ton und Schnitt. Besonders hängen bleiben die Tonbeispiele der Foley Artists, die alltägliche Geräusche künstlich erzeugen. Und dann stehen wir plötzlich mitten in Stars Hollow von Gillmore Girls. Um uns das Dragonfly Inn, der Marktplatz und natürlich Lukes Diner. Alles aus der beliebten Serie steht da. Eine komplette Serienwelt, die wir hier durchlaufen können. Aber wir sind immer noch nicht durch. Am Ende landen wir im Archivbereich. Hier wird es popkulturell noch mal bedeutend. Es sind Originalkostüme aus Batman- und Superman-Filmen, Requisiten aus DC-Universen und natürlich Harry Potter ausgestellt. Auch wenn diese Filme nicht hier entstanden sind, gehört ihr Universum zu Warner Bros. Und so stehe ich plötzlich unter dem sprechenden Hut aus Hogwarts und werde Ravenclaw zugeteilt, während Rainier vor dem Greenscreen auf Harrys Besen durch London und Hogwarts fliegt und den Zauberstab schwingt. Danach dürfen wir eine Filmszene synchronisieren und erleben im Soundkino, wie sich alle Soundebenen zu einem fantastischen Kinoerlebnis summieren. Märchenhaft! Vier Stunden vergehen beinahe unbemerkt. Es ist schon dunkel als wir tief beeindruckt die Studios wieder verlassen. Einfach irre, wie handwerklich und wie präzise diese Industrie hier jeden Tag funktioniert und was es alles für ein beeindruckendes Kinoerlebnis so braucht. Ich freue mich jetzt schon darauf, all diese Filme mit ganz anderen Augen nochmal neu zu entdecken. Noch am selben Abend lassen wir L.A.s Lichter hinter uns und steuern unser nächstes Ziel an: das sonnige wohlhabende Santa Barbara.

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