Mitten im Nichts – eine Woche auf See

Unterwegs über den Atlantik

Auf dem ersten Abschnitt unserer Weltreise dürfen wir in die Welt der legendären Transatlantik-Passage eintauchen. Die Geschichte der Transatlantik-Passage ist so vielschichtig wie die Ozeane selbst. Zwar gilt Christoph Kolumbus mit seiner Reise im Jahr 1492 häufig als der Pionier dieser Route, doch vermuten Historiker, dass die Wikinger bereits im 10. Jahrhundert und jungsteinzeitliche Europäer sogar vor rund 18.000 Jahren den Atlantik überquert haben könnten. Natürlich hat sich die Überfahrtsdauer im Laufe der Zeit stark verändert. Brauchte Kolumbus noch zwei Monate, so reduzierten die großen Ozeandampfer des 19. Jahrhunderts die Strecke auf rund 15 Tage. In der heutigen Zeit dauert eine Überfahrt zwischen New York und Southampton circa sieben Tage, aber was bedeuet schon Zeit, wenn bei dieser Art des Reisens der Weg das Ziel ist.

Langeweile ist hier an Bord sowieso eher ein theoretisches Konzept. Mit jeder Seemeile, die sich unser Schiff Richtung Westen schiebt, schrumpfen Stress und Hektik immer mehr zusammen. Nach zwei Tagen ist auch das Zeitgefühl über Bord gegangen. Um uns herum nur Himmel, Wolken und ein mal mehr mal weniger tobendes Meer. Kein anderes Schiff weit und breit, nur das Brechen der Wellen und das Abarbeiten der Zeitzonen. Mittlerweile haben wir 4 hinter uns gelassen.

Nur die Essenszeiten geben dem Tag an Bord noch Struktur. Natürlich gibt es von allem zu viel, aber diese kulinarische Vielfalt ist auch sehr verlockend. Wenn wir Unterhaltung suchen, finden wir sie mühelos: Wellness, nautische und historische Vorträge, Tanzkurse, Spiele, Showprogramme, Workshops, Schiffsführungen, Bingo, Auktionen, Sport- und Kochkurse… Ein buntes Programm, das man wahrnehmen kann oder eben nicht. Sowieso ist dieses Schiff reine Faszination. Wie dieses komplexe System aus Schiffstechnik, Hotellerie und Logistik jeden Tag wie ein Schweizer Uhrwerk funktioniert, ist interessant zu erleben. Trotzdem hat der Atlantik bereits in den ersten beiden Seetagen gezeigt, wer hier Oberhand hat. Sogar die Route musste über die Irische See angepasst werden. Bei 5 Meter hohen Wellen wurde das niedere Außendeck gesperrt, Wasser aus den Pools gelassen und die Balkonkabinen vertäut. Zwischenzeitlich hätte man schon Schlimmstes ahnen können, als das Personal Spucktüten auf dem Frühstückstisch und dann vorsorglich in größerer Zahl in den Treppenhäusern platzierte. Bislang ist alles immer weniger dramatisch als befürchtet, doch unser Respekt vor den Naturgewalten bleibt. Ebenso wie die eine Hand an der Wand, falls es doch plötzlich wieder heftiger schaukeln sollte. Ein paar Tiefdruckgebiete sollen es bis Kanada noch werden.

Ganz mein Humor ist, dass wir heute, südlich von Grönland, einem Vortrag über die Titanic zugehört haben. Wenn Redner Christian Pötschke so ein Thema mitten auf einem Schiff im stürmischen Ozean als passend erachtet, ist er sich seinem schwimmenden Untersatz offenbar sehr sicher. Ich fieberte dem Vortragsthema natürlich trotzdem entgegen. Meine Titanic-Faszination begann bereits lange vor Leonardo DiCaprio, und ehrlich gesagt hat sie mich nie ganz losgelassen. Morgen Nacht werden wir der Unglücksstelle bis auf etwa 300 Seemeilen nahekommen. Ist das nicht verrückt? Wenn ich mir überlege wie gigantisch groß der Atlantik ist, kommt mir das fast vor wie ein Katzensprung. In unserem nächsten Hafen Halifax setzt sich der Mythos Titanic noch fort, wenn wir das Maritime Museum mit seiner Titanic-Dauerausstellung besuchen. Aber bis es soweit ist, liegen noch einige Seetage vor uns.

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Mit Schirm, Charme und Kanone